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Deutschland > Ems, Ostfriesland > Borkum (Alter Turm)

D | Borkum (Alter Turm)
53° 35' N | 006° 40' E

Vom Neuen Leuchtturm auf Borkum aus sind es nur einige hundert Meter weiter Richtung Osten, bis ein weiterer Turm das Stadtbild überragt. Fast nichts deutet heute noch darauf hin, dass es sich bei diesem Bauwerk ebenfalls einmal um einen Leuchtturm gehandelt haben soll. Tatsächlich diente der alte Turm in den Jahren 1817 bis 1879 ebenfalls als Leuchtfeuerträger, bis sein neuer Nachfolger diese Aufgabe übernahm. Dennoch ist auch dieser Turm einer jener typischen alten Seetürme, wie es sie entlang der Nordseeküste in Friesland und Flandern mehrfach gibt.

Der alte Turm entstand 1576 auf Initiative der Emdener Kaufleute auf der Insel, da die Seefahrer ein markanteres Seezeichen für die Ansteuerung der Ems benötigten. Bislang diente hierzu neben einer Bake auf der heute zu den Niederlanden gehörenden Insel Rottum ein kleiner Kirchturm auf Borkum. Die dazugehörige Kirche blieb zwar bestehen, doch der Glockenturm wurde abgerissen und an seiner Stelle ein 41 m hoher neuer Turm gebaut, wobei das Dach aus einem spitzen, rund 9 m hohen schiefergedeckten Keildach bestand. Er entstand offenbar in recht kurzer Bauzeit und war bereits im September 1576 fertiggestellt. Er besaß in einem oberen Stockwerk in der Nord- wie auch der Südfront einen Mauerdurchbruch: Brachte ein Seefahrer diese in Deckpeilung, sah also das durchscheinende Licht, konnte er auf dieser Linie die Ansteuerungstonne der Osterems finden. Ab 1634 half eine Bake, die mit dem Turm in Deckpeilung gebracht werden musste, zusätzlich aus.

In den folgenden 200 Jahren war der markante Turm ein wichtiger Wegweise der küstennahen Schifffahrt, die seinerzeit noch beiderseits der Insel Borkum stattfand.

Zwischen 1780 und 1817 existierte ferner eine Kohlenblüse als Nachtzeichen, wobei diese während der Kontinentalsperre nicht in Betrieb war und nach Beendigung der französischen Besatzung als zu aufwendig und zu wenig effektiv erschien – mit dem Leuchtfeuer von Cuxhaven sah man bereits, wie vergleichsweise effektiv Parabol-Reflektoren das Licht einer Argand-Lampe tragen konnten. Um die Sichtbarkeit des Borkumer Lichts also nachhaltig zu verbessern, sollte fortan der Turm als Leuchtfeuerträger dienen. Doch soweit war man noch nicht: Noch im November 1814 wurde eine weitgehend in Emden gefertigte Laterne mitsamt einer »Lichtmaschine« auf der Kohlenblüse installiert. Die Ernüchterung folgte umgehend: Nach einem Jahr Betrieb mit äußerst bescheidenen Ergebnissen ging die Blüse wieder mit offenem Kohlenfeuer zurück in den Einsatz. Ein neuer Versuch wurde unternommen, diesmal wurde der Hamburger Konstrukteur und Erfinder Johann Georg Repsold (1770-1830) mit dem Bau einer Laterne beauftragt. Der besaß bereits Erfahrungen mit diesem Metier, hatte er doch wenige Jahre zuvor bereits die Laterne für den Leuchtturm Neuwerk (1814) angefertigt. Das kupferne Kuppelgehäuse ähnelte dann auch stark dem Neuwerker Leuchtturm.

Mittels 27 in Doppelreihe (18 ausgerichtet in alle Himmelsrichtungen, neun zur seeseitigen Lichtverstärkung) versetzt angebrachter Argand´scher Lampen erreichte das neue Leuchtfeuer immerhin eine Sichtweite von 6 sm. Hierfür wurde das Keildach des Turmes abgetragen, um Platz für die 4,2 durchmessende neue Leuchtkuppel zu schaffen. Am 12. März 1817 wurde das neue Feuer offiziell erstmalig gezündet.

1857 wurde der Argand´sche Parabolenapparat außer Dienst gestellt und die Repsold-Laterne komplett abgebaut. An dessen Stelle rückte eine neue, ungefähr 4 m hohe Laterne auf das Turmdach, in der nun eine Fresnel´sche Gürteloptik installiert wurde. Der »katadioptische Fresnelsche Leuchtapparat II. Classe« wurde von Veitmeyer in Berlin gebaut, die Glasteile wurden direkt aus Frankreich importiert. Die Optik soll der nahezu zeitgleich gebauten Apparatur für den 1856 gebauten Leuchtturm Hohe Weg sehr ähnlich gewesen sein. Leuchtmittel war eine dreidochtige Öllampe, was eine Verdreifachung der Tragweite ermöglichte. Das Feuer wurde von drei Leuchtturmwärtern gepflegt, die ihr Quartier im obersten Stockwerk des Turms bezogen.

Das Jahr 1879 bedeutete das Ende des Leuchtfeuers auf dem Turm: Am 14. Februar brannte der Leuchtturm völlig aus, nachdem die Wärter einen Torfofen beheizten und einige Funken aus einem defekten Ofenrohr das Holz der Inneneinrichtung ansteckten. Nachdem das Feuer gelöscht war, war der Alte Turm als Leuchtturm nicht mehr zu gebrauchen, da sein gesamtes tragendes Holzgebälk verbrannt war und nur noch die Außenmauern des Turm stehen blieben. Als Ersatz schuf man noch im gleichen Jahr den Neuen Leuchtturm, während der ausgebrannte Vorgänger zunächst keine Funktion mehr hatte. Er wurde schon 1882 weitgehend restauriert und diente als Uhrenturm und später als Beobachtungs- und Signalturm für die Marine. Nach 1945 hatte er zunächst keine Funktion mehr.

Seit 1982 befindet sich der Turm im Eigentum des Borkumer Heimatvereins und wurde liebevoll restauriert. Die alte Wärterkammer in 40 m Höhe wurde mittlerweile als ostfriesische Teestube hergerichtet. An jedem ersten Freitag im Monat besteht für Heiratswillige die Möglichkeit, sich in diesen Räumen trauen zu lassen – Informationen dazu gibt es hier!

Literatur zum Thema bieten die Bücher von Gregor Ulsamer:

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