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Touren & Betten > Reiseberichte > Südengland > Tag 1: Dover > Littlehampton

Tag 1 | 2 | 3

Aufgezeichnet von Malte

Es ist gerade Geisterstunde, als ich auf die Autobahn Richtung Süden biege. Eine unmenschliche Zeit, aber Jürgen hat ganz im Interesse einer reichen Fotoausbeute Fährfahrkarten für 7.00 Uhr besorgt. Zwei Stunden Dahindösen auf dem Bett sollten gereicht haben, um mich auf die anstrengende Nacht vorzubereiten. Sie haben es nicht. Ich bin noch müder.

Eine halbe Stunde später habe ich Leverkusen erreicht und wir packen Jürgens Ausrüstung in den Kangoo. Nach einem genialen Kaffee, um den ich den Linge echt beneide, geht es dann los. Über die A 4 nach Aachen, dann über Maastricht und Leuven auf Brüssel zu. Ein paar Pausen und mehrere Fahrerwechsel müssen schon sein, damit wir zügig vorwärts kommen. Kurz vor Oostende sind wir dann endlich in Küstennähe, aber die belgischen Leuchttürme sind sowohl für Jürgen als auch für mich schon ein alter Hut und lange Bestandteil unserer Galerien. Von der Autobahn aus ist kurze Zeit später, nun schon in Frankreich, der kreisende Schein des Leuchtturms Dunkerque (Dünkirchen) zu sehen. An einer Autobahnraststätte machen wir ausgiebig Halt, denn wir liegen sehr gut in der Zeit, und außerdem hat man offenbar bei der Gestaltung des Rastplatz-Ambientes schon einige »maritime Motive« im Hinterkopf gehabt. Etwas merkwürdig bleibt das Verhalten eines gelangweilten Franzosen in Erinnerung, der mehrere Parkbuchten »ausprobiert«, sich kurz die Beine vertritt, und zur nächsten Parktasche weiterfährt. Nun ja.

Wir erreichen Calais, und es ist schon richtig ordentlich hell. Zwischen einem bunten, internationalen Publikum rollen wir auf die Seafrance Rodin. Pünktlich geht die Fahrt los. Der große Leuchtturm von Calais sieht toll aus, lässt sich aber von hier aus noch nicht so toll fotografieren. Wir heben uns das für die Rückfahrt auf. Dafür ist das seeeehr nette Molenfeuer so richtig toll im Licht. Die Fähre macht gut Fahrt, und es bläst einen fast um. Zeit für´s Frühgstück: Zur Einstimmung auf England natürlich so ein richtiges »Cooked Breakfast« mit Bohnen, Spiegelei, Speck, Toast und gebratenene Tomaten. Fett pur, mein Cholesterinspiegel freut sich. Während draußen zig Schiffe auf dem Ärmelkanal passiert werden, hauen wir uns den Magen voll.

Eine halbe Stunde später lassen sich schon die Klippen von England erkennen, und bald darauf ziehen wir in einiger Entfernung am Feuerschiff South Goodwin vorbei. Fotos sind nur mit Schwierigkeiten möglich, aber das war auch nicht anders zu erwarten. Im Gegenteil, wir sind begeistert, dass man das Feuerschiff so gut sieht. Der Leuchtturm South Foreland grüßt aus einiger Entfernung von der Steilküste. Wir beschließen spontan, auch dort auf unserer Tour vorbei zu fahren.

Schon bei der Einfahrt in Dover erwarten uns die ersten Überraschungen: Nicht weniger als vier Leuchtfeuer stehen hier. Und zwar nicht etwa die typischen »Funzeln« auf einem simplen Eisenmast, sondern echte ausgewachsene, klassische Leuchttürme. Wir sind begeistert. Weniger begeistert sind wir, als wir merken, dass man für das Erreichen des Breakwater Pier schon den Freischwimmer gemacht haben sollte. Egal, erst einmal geht es wieder runter von der Rodin und eine lange Autoschlange rollt durch das Labyrinth der Abfertigungsanlagen. Dahinter werden wir dann endlich in den englischen Linksverkehr entlassen und landen sofort am ersten »Roundabout« (für alle Ahnungslosen – das ist der englische Kreisverkehr, eine besondere Spezialität der Insel. Aber keine Sorge, nach dem 500. hat man sich allmählich dran gewöhnt). Nach einigen Halsverrenkungen und Vorfahrtsmissachtungen fühle ich mich im Linksverkehr sauwohl - schöne Erinnerungen an meinen Neuseeland-Urlaub 2001 werden wach, wenngleich ich da in einem Mietwagen mit Steuer auf der rechten Seite saß.

Aber so richtig weit sind wir noch nicht gekommen. In Dover gehen wir noch den Prince of Wales-Pier hinaus und schaffen es von da, akzeptable Fotos der Breakwater-Türme zu schießen. Noble Luxusliner liegen am Pier, dazwischen mehrere Hovercraft-Schnellschiffe, die derartig blau-graue Auspufffahnen hinter sich lassen, dass man sich wirklich Fragen zur Umweltverträglichkeit stellen muss.

Die Karte immer vor Augen, gehts auf die Straße Richtung Westen. Es geht die Klippen rauf und wir fahren sofort durch eine wunderschöne hügelige Landschaft. Unsere erste Etappe heißt Folkstone, wo in unseren Listen ein Molenfeuer eingezeichnet ist. Der kleine Hafenort ist bald erreicht, ein buntes Gewirr aus Einbahnstraßen, Brücken und engen Gassen. Wir parken auf der Promenade und stehen im ersten »Fairground«: Es ist morgens um halb neun, und zwischen verlassenen Kirmesattraktionen – Geisterbahn, Wildwasserbahn und Riesenrad – suchen wir einen Hinweis, wo denn der Leuchtturm stehen könnte. Am Ufer sehen wir ihn tatsächlich, allerdings auf der anderen Seite des Hafenbeckens. Erneut ins Auto, und ganz nach Gefühl erneut durch das Gewirr an Einbahnstraßen. Letztlich landen wir wieder genau da, wo wir losgefahren sind und beschließen, zu Fuß zu gehen. Das Betreten der Mole wird durch ein kleines Wärterhäuschen geregelt, und dort lehnt man nach einem bestimmten »Can I help you?« unser Anliegen mit Hinweis auf die Baufälligkeit der Mole ab. Mist, also kein Rankommen! Schade, denn der Turm sieht – wie die Exemplare von Dover – wirklich sehr gut aus. Dennoch soll bei unserer Tour der einzige Turm bleiben, mit dem wir Pech hatten.

Leuchtturm Dungeness | Rechte: M. Werning | leuchttürme.net
Der neue Leuchtturm Dungeness auf den ausgedehnten Shingles-Feldern

Ich mache drei Kreuze, als wir Folkstone mit seinen Straßen hinter uns haben und weiter Richtung Westen fahren. Die durchgemachte Nacht rächt sich, und als ich auf dem Beifahrersitz wieder aufwache, steuert Jürgen bereits zielsicher auf die beiden Exemplare von Dungeness zu. Irgendwie eine komische Gegend: Eine Liliput-Dampfbahn kreuzt die Wege, und überall stehen kleine, größtenteils abbruchreif aussehende Häuschen - Fischerhäuschen vermutlich, denn überall liegen auch Boote. Der Boden scheint komplett aus Kies zu bestehen, und es häufen sich trotz nicht erkennbarer Flurgrenzen »Private Grounds«-Hinweise und ähnliches. In einigen hundert Metern Entfernung brodelt ein Kraftwerk vor sich hin. Egal, ein paar Schleierwolken verziehen sich und zwei neue Leuchttürme bereichern die Sammlung. Hinweisschilder geben Auskunft über die Historie dieser Türme.

Es geht weiter Richtung Westen. Das Wetter wird deutlich schlechter, und wir haben nun eine etwas längere Strecke zu fahren: Über die Trunk Road 259 müssen wir die Küstenregion ein kurzes Stück verlassen, um bei Hastings wieder das Meer zu erreichen. Von hier aus geht es weiter nach Eastbourne, wo wir uns als allererstes in dem Straßengewirr nördlich der Stadt verfahren. Jürgen hat seinen Spaß, denn hier heißt eine Ortschaft doch tatsächlich Stone Cross. Nach längerer Suche erreichen wir endlich die Steilküste Beachy Head mit den steil aufragenden Kreidefelsen. Über der Küste hängen dicke, tiefliegende Wolken – keine Voraussetzung für gute Fotos. Ob wir den bekannten Beachy Head-Leuchtturm überhaupt finden, der unterhalb der Klippen steht? Wir haben Glück und direkt den richtigen Parkplatz genommen. Tief unter uns taucht der wohl schönste englische Leuchtturm aus dem Nebeldunst auf. Die Gegend ist eine echte Touristenattraktion, und so bestaunen viele Menschen mit uns die Steilküste. In der Ferne sehen wir schon den zweiten, älteren Leuchtturm im Nebel erscheinen, der aber im Gegensatz zu seinem rot-weißen Bruder hoch oben auf den Klippen steht. Warum dieses Türmchen, der Belle Tout-Leuchtturm, schon 1899 eingestellt werden musste, ist uns aufgrund der geringen Sichtweite in dem Nebel schnell klar.

Leuchtturm Beachy Head vor der eindrucksvollen Kulisse der Kreidefelsen bei Eastbourne

Weiter geht es in dem Nebel und nach kurzer, sehr schöner Fahrt erreichen wir das Hafenstädtchen Newhaven. Zwei Molen mit Leuchttürmen sind schon von weitem gut zu erkennen, doch einen geeigneten Parkplatz finden wir nicht sofort. Wir müssen den gesamten recht langen Breakwater-Pier entlanggehen, um zu dem westlichen der beiden Türme zu gelangen, von dem man aus aber auch ganz gut den Ostpier-Leuchtturm aufnehmen kann. Glücklicherweise hat sich das Wetter wieder gut erholt und beschert uns sogar etwas Farbe auf den Dias. Der Wellenbrecher wird von zahllosen Anglern bevölkert, die sich beim Ausholen ihrer Angeln übrigens einen Dreck um leuchtturmfotografierende Touristen kümmern. Es stinkt ziemlich nach Urin, aber nach ein paar Bildern von dem rostigen Türmchen sind wir ja auch schon wieder auf dem Rückweg. Auch hier ist es für uns wieder erstaunlich, dass selbst diese Molenfeuer echte Leuchtturmbauten mit massivem Turmschaft und Laterne sind. In unserer deutschen Heimat stünde hier nur einer der schmucklosen simplen Stahlmaste mit einer Funzel drauf. Respekt!

Jürgen vor dem Molenfeuer von Littlehampton.

Wir sind schon ein wenig müde, als wir weiter Richtung Westen rollen. Wir entscheiden uns für den Weg durch Brighton, um zum nächsten Leuchtturm zu gelangen. Entgegen unseren Befürchtungen geht die Fahrt durch das bekannte Seebad auch recht flott. Erstaunlicherweise lag eine der Seebrücken komplett in Trümmern und ist wohl vor einigen Monaten vollständig abgebrannt. Den westlich gelegenen Hafen Portslade passieren wir bei der Ausfahrt aus Brighton. Wir hielten angestrengt Ausschau nach dem Hafenfeuer, doch das taucht plötzlich direkt neben dem Straße auf – mittlerweile wieder bei bestem Sonnenschein! Nach ein paar netten Bildchen des 1846 erbauten Turms geht es weiter nach Westen. Zwischen Nebelbänken und Sonnenabschnitten erreichen wir Littlehampton, wo es wieder einen Fairground am Hafen gibt. Nur einige hundert Meter entfernt bekommen wir ein B&B, allerdings ohne Breakfast aus irgendwelchen Gründen. Egal, dafür belohnen wir uns in einem der zahlreichen Straßencafes mit einem guten Abendessen. Vom originellen und recht modernen Molenfeuer sind auch noch ein paar Fotos fällig, bis es dann wohlverdientermaßen in den Pub geht.

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