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D | Dorum-Neufeld (Alter Obereversand-Turm)
53° 44' N | 008° 30' E -

Seit dem 8. März 2003 ziert dieser große Leuchtturm den kleinen Kutterhafen von Dorum-Neufeld. Er als Touristenattraktion und bietet seit Mai 2004 als Aussichtsplattform einen atemberaubenden Blick über das Wattenmeer der Wesermündung. Dabei ist der Leuchtturm durchaus »echt« und kann schon auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Bei ihm handelt es sich um das ehemalige Oberfeuer Eversand (später auch als »Obereversand« bezeichnet), das gemeinsam mit dem dort noch vorhandenen Unterfeuer Untereversand auf der gleichnamigen Sandbank bis 1923 eine Richtfeuerlinie bildete. Seitdem war der Leuchtturm, genau wie das Unterfeuer und der benachbarte Leuchtturm Meyers Legde, im Prinzip arbeitslos und wartete mitten im Wurster Watt (der Sande östlich der Außenweser, einige Kilometer von der Küste entfernt) auf eine bessere Zukunft... die seit Frühjahr 2003 tatsächlich anbricht!

An dieser Stelle muss übrigens zahlreichen Zeitungsberichten und Internet-Reportagen widersprochen werden: Bei dem Leuchtturm Obereversand handelt es sich nicht um einen der heutigen Kormorantürme! Diese Bezeichnung tragen alleine die beiden bereits erwähnten anderen Leuchttürme Untereversand und Meyers Legde.

Gebaut wurde der insgesamt 37,4 m hoch über dem Niedrigwasser aufragende Turm 1886/87 durch die Bremer Werft A.G. »Weser« im Auftrag der Hansestadt Bremen. Schon ab 1830 verlief die Hauptfahrrinne der Weser durch das Dwarsgat und den Wurster Arm östlich der Robbenplate entlang. Damit die Befahrbarkeit auch bei schlechter Sicht angesichts des immer weiter zunehmenden Schiffsverkehr gewährleistet blieb, wurde 1886 der Bau der drei Leuchttürme ausgeschrieben: Der einzeln stehende Turm Meyers Legde sollte die Schiffe als Leitfeuer durch das breite Dwarsgat führen, für die anschließende deutlich schmalere Rinne durch den Wurster Arm war aber eine Richtfeuerlinie rund drei Kilometer weiter nördlich erforderlich. In die beiden Eversand-Türme, die ihr Feuer den weserabwärts fahrenden Schiffen zeigten, wurden Fresnel´sche Gürteloptiken mit f = 500 mm eingebaut. Dadurch erhielt die dreidochtige Petroleumleuchte eine Tragweite von 12 Seemeilen. Beide Türme wurden auf stabilen Eisengerüsten aufgebaut, die auf Brunnenfundamenten im Watt erreichtet wurden. Das Oberfeuer besaß eine Nebelglocke, die an der Außenwand unterhalb des Windfangs auf der oberen Galerie angebracht war. Die Verbindung zum Festland wurde den Leuchtturmwärtern durch ein Nachrichtenkabel erleichtert, über das Beobachtungen gemeldet werden konnten.

1905 wurde in die Feuer am Wurster Arm investiert: Das alte Leitfeuer Meyers Legde wurde durch ein neues ersetzt, und in den Eversand-Türmen Petroleumglühlicht eingeführt.

Zwischen 1922 und 1928 gab man den Wurster Arm als Hauptfahrwasser der Weser auf, nachdem Versandungen hier der Schifffahrt zunehmende Probleme bereiteten. Ab 1923 wurde der Fedderwarder Arm dafür benutzt und nach dem Bau zahlreicher Leitdämme bis heute stets weiter für die Großschifffahrt ausgebaut.

Die Eversand-Leuchttürme sowie Meyers Legde hatten nun keine Funktion mehr. 1923 löschte man das Leuchtfeuer. Ein Abbau der Türme erfolgte aber nicht, vielmehr blieben sie als Tagesmarken in den Seekarten verzeichnet. Das Oberfeuer Eversand blieb offiziell eine »Zufluchtsstätte für Schiffbrüchige« und wurde in seiner Funktion als Rettungsbake weiterhin voll unterhalten. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass die alte Inneneinrichtung nahezu vollständig und unverändert blieb. Der Turm bekam bei Wassersportlern einen legendären Ruf und wurde von manchem Freizeitskipper auch gerne als »Wochenendziel« benutzt.

Im Winter 1994/95 wurde das Stahlgerüst des Oberfeuers durch Eisgang beschädigt, so dass eine längerfristige Standsicherheit des Turms nicht mehr gewährleistet werden konnte. Daraufhin musste sich das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt Bremerhaven Gedanken über die Zukunft des Turms machen, der aus diesem Grund nicht mehr als Rettungsbake weiterbenutzt werden konnte: Eine grundlegende Sanierung schied wegen der immensen Kosten aus, zumal der Turm nunmehr über Jahrzehnte hinweg keine echte Funktion mehr für die Schifffahrt besaß. Ende 1999 sah man sich nach einem neuen Eigentümer um, damit der Turm nicht mehr weiter die Kostenrechnung des WSA belastet.

Aufgeschreckt durch den Gedanken, dass dem Turm unter Umständen auch die endgültige Verschrottung drohe, gründeten einige Privatpersonen im März 2000 den • »Förderverein Leuchtturmdenkmal Obereversand e.V.«: Ziel des Vereins ist u.a. die langfristige Erhaltung des alten Bauwerks. Etwa zeitgleich gab es auch Interesse seitens des Landes Wursten, das ein touristisches Konzept für seinen Küstenstrich ausarbeitete. Die Nationalparkverwaltung Niedersächisches Wattenmeer, die Samtgemeinde Land Wursten, das Hansestadt Bremische Hafenamt Bremerhaven, der Deichverband Land Wursten und der diesem Vorhaben nunmehr angeschlossene Förderverein planten hierzu ein komplettes Versetzen des Oberfeuers an den Kutterhafen in Dorum-Neufeld, der damit eine außergewöhnliche Attraktion erhält. Geplant ist die Einbindung in einen Naturlehrpark.

Im Mai 2002 lief die beschränkte Ausschreibung zum Versetzen des 113 t schweren Turms, der in einem Stück eigentlich im Spätsommer 2002 seine letzte Reise antreten sollte. Doch erst im Februar 2003 wurde das Vorhaben verwirklicht. Am 27. Februar 2003, nach mehreren Verzögerungen, u.a. wegen Eisgangs, konnte der Turm, auf zwei Schwimmpontons stehend, in dichtem Nebel von seinem alten Standort aus fortbewegt werden. Schlepper brachten den Turm in einer mehrere Tage dauernden Aktion über das Wurster Watt Richtung Küste. Obwohl Dorum selbst nur rund zehn Kilometer vom alten Standort entfernt liegt, musste der Turm einen insgesamt 32 Kilometer weiten Weg durch mehrere Fahrrinnen und das Dorumer Tief zurücklegen. Die letzten Kilometer waren die schwierigsten, denn ohne Hochwasser lag der Turm mehrere Tage lang weit vor Dorum im Sand fest und konnte erst am 8. März 2003 an seinem neuen Fundament in Dorum verankert werden.

Die Kosten für die bislang einmalige Umsetzaktion beliefen sich auf rund 1,85 Millionen Euro und wurden zum größerten Teil von der EU getragen. Die Bremen-Ports steuerten 455 000 Euro bei, da sie für die Verklappung von zum Teil giftigem Hafenschlamm im Wurster Arm in den Jahren 1995 bis 1997 eine Ausgleichsmaßnahme finanzieren mussten.

Den Rest des Jahres 2003 waren die Mitglieder des Fördervereins mit der grundlegenden Sanierung des Turms beschäftigt, dessen Einrichtung noch nahezu perfekt das einsame Leben eines Leuchtturmwärters vor rund einhundert Jahren vermittelt und seit dem 1. Mai 2004 zur Besichtigung freigegeben ist. Der Eversand-Turm gilt als eines der ursprünglichsten und historisch wertvollsten Leuchtturmbauwerke, da er im Gegensatz zu allen heute noch existierenden Türmen praktisch nie verändert wurde.

Doch auch seine alte Funktion als Leuchtturm sollte die Dorumer Attraktion bald wieder erfüllen. Sowohl den Kuttern wie auch Wattwanderern weist das Licht des Turms seit dem 14. August 2004 wieder den Weg in den Hafen. Der Förderverein konnte mittlerweile eine Leuchtfeuer-Optik mit 400 mm Brennweite beschaffen, die bereits in der Laterne installiert ist. Die originale 500 mm-Optik des alten Oberfeuers ist dagegen nicht mehr vorhanden. Das (schwache) weiße Festfeuer des Turms hat eine Reichweite von gut zwei bis drei Kilometern.

Zurückgekehrt ist mittlerweile auch die alte Nebelglocke des Turms, die mittlerweile landseitig schwingt. Das ist zwar historisch nicht ganz korrekt, aber aus Gründen der besseren Sichtbarkeit für die Besucher verständlich.

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