Leuchtturm-Historie > Mittelalter
Nach dem Untergang des römischen Reichs fehlte an den meisten europäischen Küsten eine kontrollierende Macht. Während der Mittelmeerraum nun vornehmlich durch die arabische Welt beherrscht wurde, die Handelskontakte nach Asien herstellte, herrschte an den übrigen Küsten vor allem auf Grund der gefürchteten Normannen Angst und Schrecken. Die Küstendörfer sahen sich Plünderungen und Brandschatzungen durch Seeräuber ausgesetzt. Niemand kam mehr auf die Idee, ein Leuchtfeuer anzuzünden: Die Angreifer kamen in der Regel von der See, ein Feuer hätte sie angelockt.
Es waren schließlich Mönche, die in dem Betrieb von Seefeuern und der Warnung der Schifffahrt eine gottgefällige Aufgabe sahen. Eines der ersten Warnfeuer soll der Heilige Dubhan schon um 460 n.Chr. am irischen Hook Head gezündet haben. Auch Karl der Große zündete Leuchtfeuer, u.a. auf den noch aus der Römerzeit stammenden Türmen La Coruna und Boulogne.
Dem Einfluss der Kirche ist es zu verdanken, dass sich die Verhältnisse auf den Meeren zu Ende des 11. Jahrhunderts halbwegs normalisierten und Piraterie und das »Strandrecht« (Jus naufragii) unter kirchliche Strafe gestellt wurde. Vielerorts begannen küstennahe Klöster und Dörfer mit der Errichtung von Feuern, um der friedlichen Schifffahrt zu helfen. Vor allem der Erzbischof von Canterbury machte sich im 12. Jahrhundert um die Seeschifffahrt verdient, als er eine Gesellschaft von Gläubigen ins Leben rief, die Seezeichen zur Orientierung der Seefahrer aufstellen sollte (Aus dieser ging 1514 das »Haus der Dreieinigkeit« hervor, die als Trinity House auch heute noch die englische Seefahrtbehörde darstellt). Seerechtsbestimmungen und Bergungsrechte wurden bald darauf auch durch die weltlichen Mächte geregelt. Die ersten bekannten Leuchttürme aus dieser Epoche stammen aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts: Auf der Felseninsel Meloria (1158) und dem Cap Peloro (ca. 1190) in Italien sowie am bereits erwähnten irischen Hook Head, wo um 1172 ein erster massiver Turm gebaut wurde – der im Übrigen heute noch als Leuchtturm aktiv ist!
Ab dem 12. Jahrhundert erlebte die Seefahrt im Mittelmeerraum einen ersten Aufschwung, ab dem 13. Jahrhundert kam auch unter maßgeblicher Mitbestimmung der deutschen Hanse der Seehandel im nordeuropäischen Raum allmählich in Gang. Bedeutende Handelsumschlagpunkte zwischen Nord- und Südeuropa wurden dabei die Häfen von Brügge (Flandern) und Lissabon (Portugal). Es entstand allmählich reger Handelsverkehr entlang der Nordsee- und Atlantikküste, der sich durch das Skagerak und Kattegat bis in den Ostseeraum erstreckte. Die wirtschaftlichen Interessen standen bei der nun rasch erfolgenden Zündung von neuen Leuchtfeuern daher im Vordergrund, und vor allem die Hansestädte wachten genau über die Unterhaltung ihrer Feuer:
Die Lübecker bauten 1222 in Falsterbo an der Südwestspitze Schwedens einen ersten Feuerturm, es folgte kurz darauf der Turm in Travemünde (1226). Auch andere Hansestädte errichteten und unterhielten Leuchtfeuer, so etwa Wismar (1266 auf der Insel Lieps), Hamburg (1286 auf Neuwerk), Stralsund (1306 auf der Insel Hiddensee), Rostock (1348 in Warnemünde) und Danzig (1482 in Weichselmünde und Hela). An der schwedischen Küste bauten die Dänen wiederum Holzfeuer in Nidingen und Kullen (1230). An nahezu allen diesen Standorten stehen auch heute noch Leuchtfeuer, die ursprünglichen Bauwerke sind aber nicht mehr vorhanden.
Der Bau von Leuchtfeuern wurde intensiv auch an der aufstrebenden Handelsroute entlang der flandrischen Küste betrieben. Aus den Jahren 1280-1290 ist nicht nur der Bau des heute noch bestehenden Tour de Guet in Calais [F] überliefert, sondern auch die Errichtung von Balkengerüsten mit offenem Feuer in Brielle [NL] und Nieuwpoort [B] bekannt, die allerdings beide später durch Steintürme ersetzt wurden. Weitere Leuchtfeuer entstanden in den kommenden Jahrzehnten u.a. in England (Hunstanton, 1270, St. Catherine´s, ca. 1320), Frankreich (Dieppe, Cordouan (1360)) und Italien ((Magnale (1304), Venedig (1312), Genua (1326)).
Bei allen genannten Leuchtfeuern handelte es sich zumeist um große Holzfeuer, die entweder auf Steinhaufen, auf eigens gebauten Steintürmen oder bis zu 30 m hohen Holzbalkengerüsten gezündet wurden, um eine größere Tragweite des Lichts zu erreichen. Nicht selten wurden auch bestehende Festungen oder Kirchtürme genutzt, an denen ein »Feuerkorb« befestigt wurde. In Einzelfällen war auch von »Kerzen« oder Öllampen die Rede, doch dürfte die Reichweite des Lichtscheins recht bescheiden gewesen sein. Eindrucksvoller waren da schon Kohlefeuer, die in England ab dem 9. Jahrhundert, in Deutschland vereinzelt ab dem 12. Jahrhundert bekannt waren.
Ab Mitte des 14. Jahrhunderts wird die Bedeutung der holländischen flandrischen Küste für die Handelsschifffahrt auch dadurch deutlich, dass hier bis 1467 mindestens zwölf weitere Leuchtfeuer auf Stein- oder Holztürmen zwischen Dünkirchen (Dunkerque) und Terschelling eingerichtet werden. Die erste Leuchtfeuerkette der Welt entstand, auch wenn die Reichweite des Lichts, das oft durch die Verbrennung von Schilfrohr erzeugt wurde, sicher nicht von einem Feuer bis zum nächsten reichte. Doch eine solche Dichte an Leuchtfeuern war zu diesem Zeitpunkt weltweit einzigartig, im übrigen Europa standen anonsten nur punktuell Leuchtfeuer.
Einige wenige Bauwerke, die im Mittelalter (ungefähr bis 1500) als Leuchttürme gebaut wurden, haben sich bis heute erhalten können – davon sogar einige noch im aktiven Dienst:
Name | Nation | Baujahr | Aktiv | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|
Hook Head | Irland | 1172 | 1172 - heute | Wehrturm, seit 17. Jhdt. mit Laterne |
Tour de Constance, Aigues-Mortes |
Frankreich | ca. 1246 | ? - ? | Stadtmauer-Eckturm mit Laterne, heute weit landeinwärts |
Tour de Guet, Calais |
Frankreich | ca. 1290 | ca. 1290 - 1818 | |
Lanterna, Genua |
Italien | 1326 | 1326 - heute | 1512 teilw. zerstört, 1544 erneuert |
Porto Pi, Palma de Mallorca |
Spanien | 14. Jhdt. | 13xx - heute | mehrmals restauriert und erhöht |
Ilfracombe, Lantern Hill |
Großbritannien | ca. 1427 | ca. 1427 - heute | Leuchtfeuer auf Kapelle, heute Laterne |
Tour de la Lanterne, La Rochelle |
Frankreich | 1445 | 1445 - 1852 | Festungsturm mit steinerner Laterne, mehrfach restauriert |
Nicht in dieser Auflistung enthalten sind mehrere See- bzw. Wehrtürme an der flandrischen und friesischen Küste (z.B. Westkapelle [NL] oder Neuwerk [D]), die zwar teilweise auch bereits in dieser Epoche entstanden, aber zuerst als unbefeuerte Tagesmarken der Schifffahrt dienten. Die meisten von ihnen erhielten erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts ein Leuchtfeuer.