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Seezeichenarten > Geschichte

In der Absicht, Schifffahrtsrouten sicherer zu machen, entstanden mit dem Ausklingen des Mittelalters auch die ersten Seekarten. In ihnen trugen die Seefahrer markante Punkte ein, die ihnen bei der Positionsbestimmung helfen konnten. Dies war die Geburtsstunde der ersten Seezeichen, denn wenn sich an gefährlichen Stellen keinerlei Orientierungspunkte befanden, mussten welche geschaffen werden. Dabei waren die Seeleute für alles dankbar, was eine Lagebestimmung ermöglichte: Weithin sichtbare Kirchtürme, markante Baumgruppen oder wiedererkennbare Dünengruppen, oder eben auch künstlich erschaffene Hilfen wie Steintürme oder Holzgerüste. Auf den Seekarten wurde eingetragen, wie diese Seezeichen angeordnet sind. Im deutschen Sprachraum wurden sie anfänglich generell als »Bake« bezeichnet.

Oft wurde damals aus der Perspektive der Seefahrer gezeichnet. Sie fertigten im 15. und 16. Jahrhundert Zeichnungen der Küstenlinie an, wie sie sich vom Schiff aus präsentierte. Im niederdeutschen Sprachraum wurden solche Zeichnungen »Vertoonungen« genannt. In diesen wurden Küstenformationen wie Felsgruppen oder Buchten eingetragen. Schwieriger wurde es an Küstenpartien wie der Nordsee, an der sich wenige brauchbare Orientierungspunkte fanden: Markante Baumgruppen oder Dünen waren wertvolle Anhaltspunkte, hatten aber das Problem, dass solche Zeichnungen schon nach einer Sturmflut wieder unbrauchbar sein konnten. Dankbar waren die Seeleute daher über große künstliche Bauwerke, denen ein Sturm oder eine Flut nicht so leicht etwas anhaben konnte.

Mit steigender Bedeutung der Schifffahrt für den Handel wuchs auch die Bereitschaft der Kaufleute, in die Sicherheit der Seewege zu investieren – an eine übergeordnete Instanz, wie wir sie heute mit den internationalen Schifffahrtsbehörden kennen, war seinerzeit nicht zu denken. Es waren weniger humanitäre, sondern fast ausschließlich wirtschaftliche Gründe, die den Ausschlag für den Bau und die Unterhaltung von Seezeichen gaben. Ob und wie diese entstanden, war aber zu Zeiten der Hanse noch stark von den regionalen Interessen der Handelstreibenden und ihrer Seefahrer abhängig.

Ochsenturm bei Imsum [D] | Rechte: M. Werning / leuchttürme.net
Der Ochsenturm bei Imsum wurde 1218 als Teil der Ochsenkirche gebaut und galt über viele Jahrzehnte als bedeutendes Seezeichen für die Einfahrt in die Weser.

Es entstanden nicht nur in der Nähe bedeutender Häfen neue Leuchttürme (über deren Geschichte an anderer Stelle von leuchttuerme.net berichtet wird), sondern auch zahlreiche weitere unbeleuchtete Bauwerke, die eigens dort aufgestellt wurden, wo es an markanten Anhaltspunkten für die Seeleute mangelte – neben den bereits erwähnten Kirchtürmen in Küstennähe, die zu diesem Zweck oft besonders groß und eindrucksvoll gebaut wurden, waren das oft auch mehr oder weniger simple Holzgerüste, die zum Zwecke einer optimalen Sichtbarkeit mit auffälligen Farben gestrichen wurden oder ungewöhnliche Formen besaßen. Meistens wurden solche Baken so aufgestellt, dass sie mit einem anderen Objekt in Deckpeilung gebracht werden mussten, um ein bestimmtes Fahrwasser zu markieren, oder aber sie markierten eine gefährliche Sandbank. Welche Funktion die Bake genau hatte, wurde in den Seekarten erläutert, die meistens die Form des Toppzeichens detailliert wiedergab.

Weitaus aufwändiger waren dagegen die (unbefeuerten) Seetürme als besonders große Varianten der Baken: Türme also, die in massiver Bauweise vornehmlich für die Belange der Schifffahrt gebaut wurden und weithin sichtbar sein sollten. Immerhin drei wurden zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert auf deutschem Boden gebaut, von denen zwei heute noch existieren. Bezeichnenderweise wurden alle drei nachträglich zu Leuchttürmen umgebaut.

In den Seekarten wurden auch die übrigen Seezeichen eingezeichnet, die sich allmählich etablierten: Schon im Mittelalter sollen die ersten Pricken ganz nach Bedarf und ohne feste Reglementierung von Schiffergenossenschaften als Fahrwassermarkierung gesteckt worden sein. Die ersten Tonnen wurden schon 1358 zwischen Texel und der Nordspitze Hollands ausgelegt, »Kapen« und »Seetonnen» werden das erste Mal 1410 auch an deutschen Küsten erwähnt. Historische Seekarten zeigen an den wichtigen Schifffahrtswegen Ems, Weser und Elbe schon im 16. Jahrhundert ein gut ausgebautes Netz an festen und schwimmenden Seezeichen.

Im internationalen Vergleich jedoch hinkte Deutschland im Vergleich zu vielen Nachbarstaaten in Bezug auf das Seezeichenwesen deutlich hinterher. Während andernorts die Sicherung der Schifffahrtswege zum Beispiel unter Napoleon I. schon bald hoheitlich gesteuert wurde, konnten sich die deutschen Kleinstaaten auf keine einheitliche Vorgehensweise einigen. Vielmehr wurden durch unterschiedliche Territorialhoheitsansprüche Streitigkeiten auf dem Rücken der Seefahrer ausgetragen. Die Situation änderte sich erst nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 als Folge des deutsch-französischen Krieges: In den folgenden Jahren wurden Definitionen vereinheitlicht und mit dem Bau der überfälligen Baumaßnahmen begonnen. Während schon bis Mitte der 1870er-Jahre zahlreiche Baken neu entstanden waren, folgten bald auch große Leuchttürme wie Norderney (1874), Roter Sand (1885) usw.


Ulsamer: Borkumriff -19-
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